Der Heinrich Geis-Stollen

Nach dem 2. Weltkrieg wurde im Aachener Raum das Wasser durch den aufstrebenden Bergbau und der schnell wachsenden Industrie erneut knapp.
Die Wasserversorgung aus der Dreilägerbachtal-sperre in Verbindung mit der Kalltalsperre reichte nicht mehr aus. Man war gezwungen, Wasser aus dem Einzugsgebiet des Ruroberlaufes in die Trinkwasserversorgung einzubinden.

Die Überleitung von Wasser aus dem Obersee zur Kalltalsperre erfolgt mit diesen Bauwerken:

  • Pumpenhauses in Rurberg am Paulushof-damm. Das Wasser wird über einen 57 m langen Stollen und über ein 28 m tiefes Schachtbauwerk aus dem Obersee entnommen.
  • 1,2 km lange Druckrohrleitung aus Stahl mit einem Durchmesser von 1,0 m. vom Pumpenhaus bis in die Nähe der Jugendherberge Rurberg.
  • Zwischenbehälter am Ende der Druckrohrleitung zum Ausgleich des Pumpendrucks.
  • 2,8 km lange Hangleitung vom Zwischenbehälter bis zum Stollenmund im Weidenbachtal als Freispiegelleitung.
  • gradliniger Stollen vom Weidenbachtal etwa 120 m unterhalb der Orte Strauch und Rollersbroich bis zur Kalltalsperre (Heinrich Geis-Stollen)

    Bild rechts: Pumpenhaus
Die nachfolgenden Ausführeungen beziehen sich insbesondere auf das Tunnelbauwerk.

Einige Technische Daten des Stollens:

Einlaufhöhe: 422,39 m über NN
Auslaufhöhe: 421,29 m über NN
Länge 3669 m
Breite: 2,40 m
Höhe in Stollenmitte: 2,30 m

 

Bild rechts: Ausgleichsbehälter

 

 

Die Sohle des Stollens verläuft auf den ersten 2 Km waagerecht. Danach wurde die Sohle des Stollens nur mit leichtem Gefälle von 0,07 % angelegt.

Der Bau des Tunnels erfolgte gleichzeitig von beiden Seiten.
Zunächst wurden je nach anstehendem Gestein 16 bis 22 Bohrlöcher mit Durchmessern von 36 mm 1,65 bis 2,10 m in das Gestein vorgetrieben. Danach wurden die Bohrlöcher mit Sprengstoffpatronen aus Ammonsalpeter gefüllt
Dieser Spengstoff hat eine hohe Sprengwirkung, ist sicher in der Handhabung und unempfindlich gegen Nässe und Frost. Die Verwendbarkeit bei Nässe war sehr wichtig, da sich die Bohrlöcher mit Wasser füllten und sogar einen Druck aufbauten. Um einen Gegendruck zu erzeugen, mussten die Bohrlöcher sogar teilweise mit Holzdübel verschlossen werden. Für die Lockerung von 1 m3 Fels waren 2,1 bis 3,4 Kg Sprengstoff notwendig.

Rechts: Tunneleingang im Weidenbachtal

Obwohl das anstehende Gestein stark geschiefert und zerklüftet vorgefunden wurde, fiel lediglich ein Mehraufbruch von 17 % an. Es kam vor, dass in stark klüfftigen Bereireichen Hohlräume von bis zu 8,0 m durch herabgestürte Gesteinsmassen entstanden. Hier erhielt der Tunnel eine mindestens 30 cm dicke Auskleidung aus Beton. In den anderen Bereichen mit weichem Gestein wurden eine 1 m hohe Betonseitenwände errichtet. Der komplette Tunnel erhielt eine durchgehende Betonsohle, damit das Wasser problemlos ablaufen kann.
In einem Monat konnten durchschnittlich ca. 150 m Stollen hergestellt werden. Dies war jedoch nur möglich wenn der Fels "stehen blieb". Traf man auf nicht standfestes Gestein, waren in einem Monat auch nur ca. 50 m Tunnelvortrieb möglich.
Das aufgebrochene Schiefermaterial wurde mit Kipploren über Schienen mit Diesellocks aus dem Tunnel herausbefördert. Bis zu 60 Arbeiter waren teilweise im Stollen- und Schachtbau tätig.

Rechts: Tunnel an der Kalltalsperre

 

Das größte Problem beim Tunnelbau war jedoch das stark anfallende Sickerwasser. Nach einem Wassereinbruch unter der Ortschaft Rollesbroich fielen sogar einige Hausbrunnen trocken.

Vor Baubeginn war dieses Problem von verschiedenen Gutachtern unterschiedlich bewertet worden. Daher gingen im Vorfeld zum Bereich Grundwasserhaltung und Grundwasserableitung 300 Einsprüche bei der Bezirksregierung Aachen ein.

Vor Baubeginn mußten aus diesem Grund die Grundwasserbrunnen eingemessen und neue Grundwasserpegel errichtet werden.

Rechts: Entnahmestelle zur Weiterleitung in die Dreilägerbachtalsperre (gegenüber dem Tunnelauslauf).

Am 19. August 1955 schaltete Landrat Ernst eine der beiden Tiefbrunnen für einen Pumpversuch feierlich per Knopfdruck ein. Nach einer Stunde wurde die zweite Pumpe zugeschaltet. Erst nach 2,5 Stunden schoss das erste Wasser in die Kalltalsperre.

Zu diesem Zeitpunkt war die Kalltalsperre nach einem niederschlagsarmen Sommer schon fast leer.
Daher dauerte der "Probebetrieb" ungewöhnlich lange. Erst nach einer Laufzeit von 8 Tagen wurden die beiden Pumpen wieder ausgeschaltet.

Im Sommer 1956 erfolgte die geregelte Überleitung von Rurwasser in die Kalltalsperre. Ab diesem Zeitpunkt standen bis zu 28 Mio. m3 Rohwasser zusätzlich zur Verfügung.

Um die Leistung des technischen Direktors zu würdigen erhielt der Stollen den Namen Heinrich Geis-Stollen.